Wie sieht die Zukunft der Weltwirtschaft aus?

Prof. Dr. Erich Weede, Professor emeritus der Soziologie an der Universität Bonn, hielt vor Kurzem ein Seminar über die Europäische Union in Prag. Prof. Weede gilt als einer der radikalsten Vertreter des Liberalismus in Deutschland. Economics | 02.10.2012 09:03 Uhr
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Er hat zahlreiche Bücher und Artikel zu Ökonomie, Entwicklung, internationale Beziehungen, Wirtschaftspolitik und Kapitalismus veröffentlicht, darunter: Wirtschaft, Staat und Gesellschaft (1990), Asien und der Westen: Politische und kulturelle Determinanten der wirtschaftlichen Entwicklung (2002) und Mensch, Markt und Staat: Plädoyer für eine Wirtschaftsordnung für unvollkommene Menschen (2003). Sein jüngstes Buch, in Anlehnung an seine Präsentation am 4.Oktober in Wien heist: Freiheit und Verantwortung, Aufstieg und Niedergang (2012).

Im Vorfeld der Free Market Road Show - Konferenz am 4. Oktober im Salon Schmidt des Novomatic Forums hat Prof. Weede in einem Gespräch mit dem Friedrich A. v. Hayek Institut einen ersten Einblick in seine Überlegungen betreffend der Aussichten für Europa und der Perspektiven für den Wohlfahrtsstaat gegeben.

Welches Thema werden Sie behandeln?

Die Werte der westlichen Welt. Aus meiner Sicht sind die wesentlichen dieser Werte beschränkte Regierungsgewalt und freie Wirtschaft. Oder ich spreche über Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Die beiden Themen sind meiner Meinung nach eng verwoben, denn auf lange Sicht ist einer der wichtigsten Faktoren für Wirtschaftswachstum und Wohlstand eben eine möglichst freie Wirtschaftsform (und möglichst wenig Reglementierungen).

Es bedeutet also inhaltlich wenig Unterschied, welchen der beiden Titel wir wählen. Bei einem Focus auf Wirtschaftswachstum würde ich aber vor allem mit vergleichenden und wirtschaftshistorischen Fakten argumentieren, beispielsweise die Unterschiede zwischen Asien und der westlichen Welt aufzeigen.

Wie sieht die Zukunft der Weltwirtschaft aus?

Der Punkt, der mir Sorgen bereitet, ist, dass die westliche Welt – mit Ausnahme einiger junger Demokratien wie beispielsweise Estland (aber Achtung: Estland ist nicht groß genug, um den Westen zu retten) – also die Vereinigten Staaten von Amerika, Groß Britannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, dass diese Staaten in den letzten Jahrzehnten von Defiziten und Schulden gelebt haben. Spanien ist nur beinahe eine Ausnahme, denn dort geht das noch nicht so lange. Aber das typische Verhalten alter und etablierter Demokratien ist, ein defizitäres Budget nach dem anderen zu beschließen, Schulden mit noch mehr Schulden zu bedienen. Und das kann man vielleicht noch in den USA mit Verteidigungsausgaben erklären, aber sicherlich nicht in Deutschland, Frankreich oder Italien.

Warum sind also die Defizite so groß, die Schulden so enorm?

Wir geben zu viel für den Wohlfahrtsstaat aus – und das ist aus verschiedenen Gründen schlecht. Ein Grund ist, dass Transferleistungen schlechtes Wirtschaften auffangen und so den Lernprozess, der durch Fehler möglich wäre, verhindern. Wenn man also am Markt versagt, wird man durch Transferleistungen aufgefangen. Die Transferleistungen werden von Leuten bezahlt, die erfolgreich wirtschaften – ein fragwürdiger Ansatz, denn Erfolgreiche werden also progressiv besteuert: je erfolgreicher umso größer die Strafe! Damit erzwingt man Scheitern und bestraft Erfolg. Über kurz oder lang erkennen das die Bürger und der Wohlfahrtsstaat kann nicht verhindern, dass Erfolg für den Einzelnen immer unwahrscheinlicher wird. Das ist ein theoretisches Argument, eigentlich eine psychologische Milchmädchenrechnung.

Man kann das aber auch wissenschaftlich demonstrieren: mit ökonometrischen Methoden und länderübergreifenden Studien und so zeigen, dass je höher Staatsausgaben werden, je größer Transferleistungen sind, je höher die Steuerlast ist, umso dramatischer sinken die Wachstumsraten. Der Wohlfahrtsstaat ist also per se ein Problem.

Der Wohlfahrtsstaat in Verbindung mit ständig wachsenden Schulden ist aber ein noch viel größeres Problem als es ein Wohlfahrtsstaat ist, der durch Steuern finanziert wird. Neuere ökonometrische Studien (zB. von Carmen Reinhardt und Ken Rogoff) zeigen, dass das Wirtschaftswachstum erheblich schrumpft, wenn die Schuldenlast 90% des BIP erreicht. Die meisten westlichen Demokratien haben diese Grenze bereits überschritten (wie Italien), oder sind knapp davor. Der Wohlfahrtsstaat als solcher ist eine Wachstumsbremse und ein schuldenfinanzierter Wohlfahrtsstaat ist eine umso effektivere Wachstumsbremse.

Und der Euro?

Die Einführung des Euro hat das Instrument der Währungsabwertung für einzelne, weniger wettbewerbsfähige Wirtschaften wie Griechenland, Italien, Spanien oder Portugal und sogar Frankreich zu nicht gemacht. Der Euro war ein Fehler, aber die Rettungsversuche sind ein noch viel größerer Fehler. Sie führen zu einer Erweiterung der Wohlfahrtsmentalität. Immer mehr Menschen hoffen, auf Kosten anderer leben zu
können.

Es ist vorstellbar, dass eine kleine Gruppe auf Kosten anderer lebt, aber es ist unvorstellbar, dass das langfristig für eine große Gruppe funktioniert. Unglücklicherweise haben viele demokratischen Vertreter diese Tatsache noch immer nicht verstanden.

Was muss passieren, damit das akzeptiert wird?

Ich bin pessimistisch. Ich habe lange versucht, Soziologiestudierende zu dieser Erkenntnis zu führen – erfolglos. Bei Studenten der Wirtschaftswissenschaften hat es funktioniert, aber ich glaube die Öffentlichkeit ähnelt hier eher den Soziologiestudenten. Sie verweigert gewisse Realitäten.

Was ist mit den Werten, die zu Wirtschaftswachstum beitragen?

Es gab einen deutlichen Wertewandel in der westlichen Welt – und ich fürchte nicht zum Besseren.

Ein Niedergang der Werte?

Ich denke da an die wachsende Bereitschaft, auf anderer Leute Kosten zu leben. Als ich jung war, war es peinlich von Transferleistungen zu leben und es gab so gut wie keinen Missbrauch. Ganz im Gegenteil, viele, die Anspruch gehabt hätten, haben von sich aus darauf verzichtet. Man war stolz etwas selbst zu schaffen und hat nur im äußersten Notfall fremde Hilfe angenommen. Heutzutage hat man beispielsweise bei
Studierenden den Eindruck, dass das Leben von Sozialleistungen geradezu eine Auszeichnung ist; jedenfalls keine Schande darstellt.

Danke, Herr Professor, wir freuen uns auf weitere Ausführungen bei Ihrer Keynote.



Prof. Weede wird anlässlich der Free Market Road Show Konferenz die Keynote für das Panel „Europa am Wendepunkt – Europa am Weg in die Knechtschaft?“ halten. Mit ihm diskutieren Nikolaus Jilch (Die Presse) und Manfred Kastner (C.A.T. ) „Harmonisierung versus Wettbewerb“ und „Der Euro und die Europäische Integration“ sind die Titel der weiteren Panels, an denenunter anderen Andreas Unterberger, Karl-Peter Schwarz (Frankfurter Allgemeine), Christof T. Zellenberg (Banker), Dr. Barbara Kolm (Hayek Institut), Barbara Feldmann (ÖVP), Dr. Michael Wohlgemuth (Open Europe), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Prof. Dr. Karl Socher (Universität Innsbruck) und Dr. Richard Zundritsch (Added Value) teilnehmen. Registration ab 13:30, die Veranstaltung beginnt um 14:00 Uhr.

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