Economics Forum: Regulierung der Finanzmärkte

Welche positiven und negativen Einflüsse ergeben sich durch die stärkere Regulierung der Finanzmärkte in Europa und wie realistisch ist die Schaffung einer Finanzmarktunion mit einer europäischen Bankenaufsicht und Einlagensicherung? Economics | 14.09.2012 02:00 Uhr
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Dr. Ulrich Kater
Dr. Ulrich Kater
Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt, DekaBank (05.09.2012): "Genau wie eine Fiskalunion setzt auch eine Bankenunion einen gewissen Grad an Risikoteilung zwischen den Mitgliedsländern der Währungsunion voraus. Die Mechanismen hierfür wären ein europäischer Bankenrekapitalisierungsfonds und eine europäische Einlagensicherung. In ein solches System wären die systemrelevanten europäischen Banken einzubeziehen. Gerade in einer Währungsunion mit stark integrierten Finanzmärkten hätte die Schieflage einer großen Bank in Land A auch gravierende Auswirkungen in Land B. Es ist daher naheliegend, die Instrumente zur Stabilisierung des Bankensystems von vornherein auf der Ebene der Eurozone anzusiedeln. Zudem würde eine Abwärtsspirale zwischen Banken und Staatsanleihemärkten, wie man sie in Irland und Spanien gesehen hat, gebremst, weil sich die Risiken auf mehr Staaten verteilen. Ebenfalls wie bei einer Fiskalunion darf die gemeinsame Risikoübernahme nicht unkontrolliert erfolgen. Das heißt, ein europäischer Bankenrekapitalisierungsfonds und ein europäisches Einlagensicherungssystem setzen voraus, dass die Kompetenzen zur Bankenregulierung und -aufsicht stärker auf die europäische Ebene verlagert werden. Dies sollte so weit gehen, dass der Bankenrekapitalisierungsfonds oder eine andere europäische Institution das Recht hat, die Kontrolle über angeschlagene Banken zu übernehmen und sie im Zweifelsfall auch abzuwickeln. Die Errichtung einer europäischen Regulierung systemrelevanter Banken sollte zeitlich der Einführung von Haftungsmechanismen weit vorausgehen."


Anton Brender
Anton Brender
Anton Brender, Chief Economist of Dexia Asset Management (07.09.2012): "The Spanish banking problems have had a positive consequence: they are forcing the euro area governments to realize that the monetary union has led to integrated money and bond markets but not to a unified banking system. Retail banking activities continued to remain national not only because they were regulated and supervised at a national level, but also because lending practices remained different from one country to another affecting the way monetary policy was transmitted in each economy. Trying to move now to a banking union, by unifying the supervision and the deposit insurance mechanisms may change this situation and finally lead to much more unified lending practices, hence improving the monetary transmission mechanism. But let’s be realistic: the road to travel will be a long and difficult one!"


Thomas Rose
Thomas Rose
Thomas Rose, Head Investment & Risk Management UBS Funds (11.09.2012): "Regierungen und Regulatoren haben auf die Finanzkrise von 2007 welt- und europaweit mit einer massiven Verschärfung der Vorschriften bei Banken, Derivathandel, Produkten und Vertrieb reagiert und versuchen, dadurch Märkte und Marktteilnehmer ‚sicherer’, d.h. krisenresistenter zu machen und die Kunden besser zu schützen. Das kann gelingen –  kann aber zu einer verteuerten Finanzierung und damit zu einem langfristig tieferen Wirtschaftswachstum führen."


Jörg Knaf
Jörg Knaf
Jörg Knaf, Managing Director, Northern Europe, Natixis Global Asset Management, S.A. (11.09.2012): "Sinn der Regulierung ist in erster Linie, eine gewisse Transparenz am Markt herzustellen und Anlegern die Möglichkeit einzuräumen, ihre Anlageziele einfacher zu verwirklichen. Leider ist es oft so, dass die Auflagen Anleger in ihren Möglichkeiten einschränken.
 
Die aktuellen Ergebnisse einer von Natixis veranlassten Umfrage unter institutionellen Anlegern im deutschsprachigen Raum zeigen, wie deutlich die Regulierung Anleger in ihren Möglichkeiten einschränkt: 70% der Befragten meinen, Alternative-Lösungen müssen her, um Korrelationen zwischen den traditionellen Anlagelösungen zu reduzieren und damit ihre Renditeziele zu erreichen. Leider wird gerade bei dieser Anlageklasse vielen institutionellen Investoren ein Riegel vorgeschoben.
 
Zudem ergab die Umfrage, dass mehr als 1/3 der institutionellen Anleger Veränderungen in der Steuerpolitik, sowie im regulatorischen und rechtlichen Umfeld als die zweitgrößte Gefahr nach der globalen fiskalischen Schieflage empfinden. Wie bedrohlich die von den Behörden ausgehende Gefahr eines Kunstfehlers in der Regulierung bzw. bei regulatorischen Risiken wahrgenommen wird, entpuppt sich vor allem, wenn man sieht, daß sie in der Umfrage höher als Währungs-, Markt- und geopolitische Risiken eingeschätzt wird.
 
In naher Zukunft dürften sich die Europäer auf eine Finanzmarktunion nicht einigen.  Mit bevorstehenden Wahlen im kommenden Jahr in Deutschland ist Kanzlerin Merkel nach wie vor gezwungen, die harte Linie zu vertreten - und die werden die Südeuropäer nicht schlucken. Bei der Einlagensicherung könnte es jedoch gelingen."


Dr. Andreas Höfert
Dr. Andreas Höfert
Dr. Andreas Höfert, Chefökonom, UBS Wealth Management (11.09.2012): "Regulierung ist immer zweischneidig. Einerseits wird dadurch sicherlich das Risiko, die vergangene Finanzkrise zu wiederholen, verringert. Andererseits heisst es noch lange nicht, dass das Risiko einer zukünftigen Finanzkrise damit verbannt ist. Zwar verlaufen Finanzkrisen immer nach ähnlichen Mustern, doch sind sie nicht eins-zu-eins gleich. Nach der Technologieblase im Jahr 2000 wurden die Finanzanalysten unter drakonischer Regulierung gestellt, zudem wurden im Zuge der Enron-Pleite alle in den Vereinigten Staaten tätigen Unternehmen dem Sarbanes & Oxley Act unterstellt. Dennoch konnte weder die eine, noch die andere Massnahme, die Immobilien- und Kreditkrise von 2008 verhindern.

Die derzeitigen Regulierungsbestrebungen der Banken beissen zudem andere Zielsetzungen, welche die Politik ebenfalls von den Banken wünscht. Einerseits heisst es, Banken sollten sowenig wie möglich Risiken auf ihre Bilanzen laden. Andererseits heisst es, Banken sollten wieder mehr Kredite vergeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das eine ist nur bedingt mit dem anderen kompatibel.

Eine europaweite Einlagensicherung reduziert das Risiko von Bankenpaniken in der europäischen Peripherie und dementsprechend das Risiko, dass die einen oder anderen Länder quasi dadurch gezwungen werden aus dem Euro auszusteigen. Eine solche Einlagensicherung ist allerdings nur möglich, wenn die gesicherten Institute auch einer gemeinsamen Bankenaufsicht unterstellt werden. Hier scheiden sich aber die Geister. Während Länder in der Peripherie alle Finanzintermediäre unter einer solchen Aufsicht zu stellen wünschen, möchte Deutschland dies lediglich für die grossen, systemkritischen Institute tun. Dies zeugt auch, dass vermutlich zurzeit die Industrie selber ein starkes Lobbying in den einzelnen Ländern tätigt, um eine europaweite Bankenregulierung möglichst zu verwässern."


Dieter Guffens
Dieter Guffens
Dieter Guffens, Senior Economist KBC AM (12.09.2012): "Nach der Ankündigung des OMT-Programms der EZB, ist die wichtigste Aufgabe der europäischen Politik nun die Schaffung einer zentralen europäischen Bankenaufsicht, im Zusammenhang mit einer EWU-weiten Einlagensicherung. Dass diese nicht schon zu Beginn der Währungsunion geschaffen wurde, gehört zu den Konstruktionsfehlern der EWU, deren Folgen vor allem dem irischen Staat zum Verhängnis wurden. Eine einheitliche Bankenaufsicht, am besten bei der EZB angesiedelt, hätte den Vorteil, dass bisher uneinheitliche nationale Maßstäbe und Stresstests koordiniert verlaufen würden, und dass grenzüberschreitend tätige Banken von ein und derselben Aufsichtsbehörde kontrolliert werden können. Die gemeinsame Einlagensicherung wiederum würde ein wichtiges Motiv einer möglichen Kapitalflucht wegnehmen, da alle Banken der EWU durch dieselbe Einlagensicherung gedeckt wären. Der dritte wichtige Bestandteil einer Finanzmarktunion ist die Möglichkeit, die eventuelle Insolvenz einer Bank geordnet verlaufen zu lassen mit Hilfe eines europäischen Bankabwicklungsmechanismus. Dieser Mechanismus, der im Plan Van Rompuy vorgesehen ist als zusätzliche Rolle des ESM, würde Probleme wie in Irland in Zukunft verhindern, wo ein im Prinzip gesunder nationaler Staatshaushalt durch eine erzwungene Bankenhilfe aus dem Gleichgewicht kam.

Die beschriebenen drei Elemente einer Finanzmarktunion sind eine notwendige Ergänzung der bestehenden EWU. Gegen alle drei Elemente wird es ohne Zweifel nationalen politischen Widerstand geben. Ohne sie ist jedoch die nächste Phase der europäischen Finanzkrise vorprogrammiert."


Gerhard Winzer
Gerhard Winzer
Gerhard Winzer, Chief Economist, Erste Sparinvest (13.09.2012): "Die notwendigen Voraussetzungen für das nachhaltige Bestehen der Eurozone sind mehr Integration und mehr Solidarität. Das beinhaltet neben einer gemeinsamen Geld- auch eine gemeinsame Fiskal- und Wirtschaftspolitik sowie Institutionen, die als Lender of Last Resort fungieren können. Seit Ausbruch der Euro-Krise wurden zögerlich aber doch viele Schritte in diese Richtung unternommen: EFSF/ESM, der Vertrag über Stabilität, Koordination und Governance, das (eingestellte) SMP, die LTROs und die jüngst angekündigten Outright Monetary Transactions der EZB, die Einrichtung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Banken unter Oberaufsicht der EZB als (wahrscheinliche) Keimzelle einer Bankenunion (die auch eine europäische Einlagensicherung sowie einen Abwicklungsfonds beinhalten würde) und last but not least die Errichtung der EBA mit den Schwerpunkten Regulierung, Risk Analysis und Konsumentenschutz. Grundsätzlich ist eine stärkere und einheitliche Regulierung der Finanzmärkte zu begrüßen, vor allem weil sie das systemische Risiko und das Moral Hazard Problem verringern. Auf der negativen Seite haben einige Vorschriften (Einführung von höheren Liquiditäts- und Eigenkapitalerfordernissen mitten in der Krise) zu einer noch restriktiveren Kreditvergabe beigetragen. Zudem könnten sich Probleme durch eine Überregulierung sowie durch eine Wettbewerbsverzerrung (liberaleres Umfeld auf globaler Ebene) ergeben."


Reinhold Knaus
Reinhold Knaus
Reinhold Knaus, Senior Economist & Portfoliomanager, BNP Paribas Investment Partners (13.09.2012): "Der Preis für eine höhere Stabilität des Finanzsystems ist ein wachstumsdämpfender Effekt. Ein Teil der vorherigen Expansion war künstlich, weil Finanzinnovationen nicht nachhaltige Wachstumsprozesse (z. B. Immobilienblasen in diversen Ländern) ermöglicht haben. Die notwendige  Reduzierung von Bankaktivitäten (Deleveraging) wird noch durch erhöhte Anforderungen an das Eigenkapital von Banken verstärkt. Dies wird zunächst zu einem schwachen und damit verwundbaren Wachstumsprozess der Realwirtschaft beitragen; einem Wachstum am Rande der Rezession.  Im Grundsatz passt zu einer einheitlichen Währung auch eine europaweite Bankenaufsicht und  Einlagensicherung. Das Ganze vollzieht aber sich vor dem Hintergrund eines komplizierten europäischen Rahmenwerks und vielfältiger nationaler Interessen. Es ist daher eher fraglich, dass ein großer Wurf gelingen wird, sondern es bei  Kompromissen und Schritten in die richtige Richtung bleiben wird. Am Ende wird dies hoffentlich dennoch ausreichen, um die wünschenswerte höhere  Stabilität des Finanzsektors zu erreich. Dann könnten systemische Finanzkrisen und eine Gefährdung der Realwirtschaft in Zukunft vermieden werden."


Stuart Thomson
Stuart Thomson
Stuart Thomson, Chief Market Economist, Ignis Asset Management (13.09.2012): "We believe that there will be a financial markets union with European banking supervision and deposit insurance, but this is an essential component of an efficiently functioning monetary union. EU President Barroso plans for the European Central Bank to supervise Europe’s banks, envisaging that it will take responsibility for the rescued banks by the end of the year. The 25 systematically important banks would come under its supervision by the middle of next year and all six thousand banks would be covered by the start of 2014. This is an ambitious and impossible target. The close link between politics and banks in many countries, particularly Germany, as well as the importance of the City of London will complicate and elongate the implementation process. Indeed, we believe that this process is unlikely to be completed before 2016.  More importantly, we believe that the experience of the credit crunch and subsequent deleveraging as well as central bank oversight will lead to lower leverage levels within the eurozone, which in turn will result in lower potential growth for the region as a whole. In conclusion, banking and deposit insurance will lead to greater integration of the European Union and safer banks, but this in turn will lead to slower growth over the longer term."


Yasmine de Bray, Analystin für den Bankensektor von Amundi (19.09.2012): "Stronger regulation of financial markets, and in particular of the banking system, would be positive long term in that it could reduce the risk of a banking crisis which is costly for tax payers and the economy. The more immediate effect, however, would be to incentivize banks to further reduce their balance sheets and tighten credit provision to the real economy.

The establishment of banking supervision on a European scale should be achievable. The setting up of a deposit guarantee scheme on a European level is on the other hand more complex. The pre-financing of a credible fund of this type would take years: in the meantime, in the case of bank default, it would be European tax payers who would have to pay the bill, whether the bank is Spanish or German. The emergence of a credible deposit guarantee scheme, which is an essential element of a European banking union, would therefore require greater fiscal integration within Europe."

 



Economics Forum: Investment Strategen und Ökonomen antworten

Auf monatlicher Basis stellt e-fundresearch.com eine aktuelle Frage mit Bezug zu volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und Entwicklungen auf den Kapitalmärkten an eine Gruppe renommierter Ökonomen und Kapitalmarktstrategen. Die Antworten werden im ECONOMICS Channel dargestellt (seit Mai 2011).

 

 

 


 


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